Corona: diese Zahlen zählen wirklich
Mitten in der Pandemie befinden wir uns in einem makaberen “Horse Race Journalism”: Alle starren gebannt auf die Zahlen der Infizierten und Toten, Maßnahmen von enormer Tragweite für Wirtschaft und Gesundheit werden z.B. von der Dauer abhängig gemacht, über die sich die Infektionen verdoppeln. Dabei steht ein Elefant im Raum, über den viele sprechen, den aber kaum jemand einbezieht: die Zahl der Tests. Ohne diese entscheidende Größe sind die Zahlen zu Infizierten und Verstorbenen weder vergleichbar noch aussagekräftig.
Wir haben die offiziellen Angaben zu den Zahlen der durchgeführten Tests (Stand: 6. April) in die Berechnung einbezogen – und damit wichtige Erkenntnisse gewonnen:
72,8 Prozent der Sterberate lassen sich allein aus der Zahl der Tests erklären!
Obwohl offenkundig Tests für sich keine Menschenleben retten, ist alleine die Zahl der durchgeführten Tests – ohne jede Berücksichtigung von Altersstruktur, Gesundheitssystem etc. – in der Lage, für sich schon die Unterschiede der Sterberaten zwischen den Ländern zu erklären (4,7% Fehlerwahrscheinlichkeit – ein nach wissenschaftlichen Kriterien signifikanter Zusammenhang).
Wenn die Zahl der Tests so viel von der Sterblichkeit erklärt, bedeutet das, dass die Dunkelziffer sehr hoch liegt und die tatsächliche Sterberate viel niedriger. Wie niedrig? Wagen wir eine Prognose!
Hierfür haben wir aus den bisherigen Daten ein Modell erstellt und die bestätigten Zusammenhänge fortgeschrieben. Natürlich vergleicht man damit ein Stück weit Äpfel mit Birnen, weil man unterstellt, dass Bevölkerungsstruktur und Gesundheitssysteme in Großbritannien, Frankreich, Italien, Deutschland, Österreich und den USA ungefähr gleich sind. Das ist nicht der Fall – daher ist dieses Modell nicht mehr als ein erster “Schnellschuss”, der um viele solcher Faktoren noch verfeinert gehört. Dennoch lässt sich – nur ausgehend von der Zahl der Tests! – eine Funktion erstellen, die die bisherigen Daten mit hoher Güte wiedergibt.
Unser ad-hoc Modell weist darauf hin, dass die tatsächliche Sterberate von Corona in der westlichen Welt zwischen 0,3 und 0,4 Prozent liegt.
Um sie genau zu ermitteln, müsste man nach unseren Modellen knapp 13 Prozent der Bevölkerung testen – doch bereits ab 1,6 Prozent beginnt die Datenqualität solider zu werden, bei knapp 5 Prozent läge wohl ein optimales Gleichgewicht zwischen Prognosequalität und Aufwand.
Überdies lässt der Anteil der positiven Tests an allen durchgeführten Tests eine Einschätzung der Dunkelziffer zu.
So lässt sich der Anteil positiver Tests zu 94 Prozent dadurch erklären, wie viel Prozent der Bevölkerung insgesamt getestet wurden: Je mehr Tests, desto weniger positive Tests.
Die extremen Positivraten von 32 bis 50 Prozent, die
die USA, Großbritannien, und Frankreich aufweisen, weisen damit auf viel zu geringe Testzahlen und eine enorme Dunkelziffer in diesen Ländern hin.
Das relativiert die sehr hohen gemeldeten Sterberaten in Frankreich und Großbritannien – während es Fragen an der Belastbarkeit der US-Zahlen aufwirft: es steht zu vermuten, dass viele Todesfälle im Zusammenhang mit Corona dort derzeit noch nicht erfasst werden. Und zwar nicht, weil das Virus in den USA tödlicher wäre als anderswo – sondern weil es sich dort mit Sicherheit längst viel weiter verbreitet hat, als die gemeldeten Fälle es verraten.